Doppelter Bach

Die schönsten Rituale

Erst die h-Moll-Messe, dann die «Matthäus-Passion»: Im März werden in der Tonhalle Zürich gleich zwei grosse geistliche Bach-Werke aufgeführt.

Susanne Kübler

Wer vor Ostern eine Bach-Passion hören möchte, muss nie weit reisen. Auch jene, für die Bachs «Weihnachts-Oratorium» noch zwingender zum Fest gehört als die Geschenkeflut, können auf die Profiund Laienchöre zählen. Und dazwischen noch eine h-Moll-Messe? Kein Problem, auch sie gehört zu den am meisten aufgeführten Werken überhaupt.

Anders gesagt: Man darf die grossen geistlichen Bach-Werke ohne jede Übertreibung zu den beliebtesten Ritualen eines Musikjahrs zählen. Und auch zu den schönsten, nicht zuletzt für die Sänger*innen: Wer je eines davon gesungen hat, weiss das.

Das war nicht immer so. Nach Bachs Tod blieben vor allem seine Klavier- und Orgelwerke aktuell, die Vokalmusik dagegen verschwand in der Versenkung. Und als Felix Mendelssohn 1829 in der Berliner Sing-Akademie mit seiner Wiederbelebung der «Matthäus-Passion» eine Bach-Renaissance auslöste, war die Begeisterung zunächst durchaus nicht einhellig. «Manche, die nur in verba magistri schwärmen, wollten in ihrem Leben nichts Herrlicheres gehört haben», las man drei Jahre später nach einer Königsberger Aufführung in der «Allgemeinen Musicalischen Zeitung». Der Rezensent selbst gehörte nicht zu diesen Schwärmern; er beklagte die ermüdenden Rezitative, die verfehlte Behandlung des Texts, die Melodien, die so gar nicht auf dem Niveau von Bachs Kontrapunkt seien. Seine Sympathie für jene, die das Werk als «veralteten Trödel» empfanden, «der in die Rumpelkammer gehöre», ist kaum zu überlesen.

Man kann diese und ähnliche Kritiken als Missverständnisse abtun. Oder aber sich dank ihnen daran erinnern, dass Bachs Musik, die Texte und das theologische Verständnis dahinter eben tatsächlich allem widersprechen, was man gemeinhin als hitverdächtig einstufen würde. Gleichzeitig sind es gerade die alles andere als stromlinienförmige Kunst und das tiefe Bekenntnis, die diese Werke so besonders machen. Sie sind vertraut und fremd zugleich – und sie bleiben es, ganz egal, wie oft man sie hört, spielt oder singt.

Zürcher Musikgeschichte

In diesem Jahr werden nun in der Tonhalle Zürich vor Ostern nicht nur zwei der grossen Bach-Werke aufgeführt, es werden damit auch gleich mehrere Kapitel aus der Zürcher Musikgeschichte erzählt. So gelangte das Autograph der h-Moll- Messe bereits 1805 – also noch vor Beginn der Bach-Renaissance – über den Verleger und Komponisten Hans Georg Nägeli nach Zürich. 1857 wurde es dann weitergereicht, erst nach Leipzig, dann nach Berlin, wo es sich bis heute befindet.

Der Gemischte Chor Zürich, der die h-Moll-Messe singen wird, war einer der vier Gründerchöre der Tonhalle-Gesellschaft Zürich. Bachs Werke gehörten seit seinen Anfängen zu seinem Repertoire, und er war sogar international gefragt dafür: 1911 reisten die Sänger*innen und ihr Dirigent Volkmar Andreae nach Mailand, um dort in der Scala die italienische Erstaufführung der «Matthäus-Passion » zu präsentieren.

Diese «Matthäus-Passion» wird nun von der Zürcher Sing-Akademie gestaltet, also vom Nachfolge-Ensemble des Schweizer Kammerchors, der 1997 gegründet wurde – und als professioneller Chor die bis dahin von ambitionierten Laienchören geprägte Zürcher Chorszene in Aufruhr versetzte. Inzwischen haben sich die Wogen geglättet, es gibt Platz für alle. Und, wie das aktuelle Programm zeigt, auch genügend grosse Bach-Werke für alle.

Noch mehr Bach

Neben den Aufführungen der beiden grossen geistlichen Bach-Werke gibt es am Ostermontag eine Festtagsmatinee: Musiker* innen des Tonhalle- Orchesters Zürich spielen Werke von Bach und Mendelssohn – und dazu ein Preludio aus Bachs Partita Nr. 3 für Violine solo, für das Mendelssohn eine Klavierbegleitung schrieb.

März 2024
Sa 30. Mrz
18.00 Uhr

Bach, Matthäus-Passion

Freiburger Barockorchester, Francesco Corti Leitung, Zürcher Sing-Akademie, Maximilian Schmitt Tenor – Evangelist, Yannick Debus Bariton – Christus, Kateryna Kasper Sopran, Philippe Jaroussky Altus, Zachary Wilder Tenor, Andreas Wolf Bass Bach
Fr 29. Mrz
16.00 Uhr

Bach: Messe in h-Moll

Tonhalle-Orchester Zürich, Der Gemischte Chor Zürich, Joachim Krause Leitung, Lenneke Ruiten Sopran, Marie-Claude Chappuis Mezzosopran, Manuel Günther Tenor, Thomas E. Bauer Bariton Bach
Do 28. Mrz
19.30 Uhr

Bach: Messe in h-Moll

Tonhalle-Orchester Zürich, Der Gemischte Chor Zürich, Joachim Krause Leitung, Lenneke Ruiten Sopran, Marie-Claude Chappuis Mezzosopran, Manuel Günther Tenor, Thomas E. Bauer Bariton Bach
veröffentlicht: 20.03.2024

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