Foto: Michael Reinhard
Tonhalle-Orgel

Die «Diener» unserer «Königin»

Die Orgel ist das grösste Instrument, das in den Konzerten der Tonhalle-Gesellschaft Zürich zum Erklingen kommt. Doch wer kümmert sich eigentlich um sie?

Franziska Gallusser

4764 Pfeifen, 25'500kg Gewicht und 67 klingende Register – diese Zahlen gehören zu dem Instrument, das seit der Saison 2021/22 am Kopf der renovierten Grossen Tonhalle thront: zu unserer Kuhn-Orgel. In dieser Spielzeit kommt die «Königin der Instrumente» bei zwölf Konzerten zum Einsatz, so beispielsweise bei den zweiten Internationalen Orgeltagen Zürich, bei denen sie drei Tage lang im Mittelpunkt steht. Damit das möglich ist, muss jedoch vieles im Vorfeld geplant, bedacht und vorbereitet werden.

Der Orgelbauer als Betreuer

Damit die Orgel zu jedem Konzert einsatzbereit sein kann, müssen Wartungs- und Stimmarbeiten durchgeführt werden. Diese Aufgabe übernimmt der aus Davos stammende Orgelbauer Stephan Wioland von Orgelbau Kuhn AG. Seit 1996 betreut er die Orgeln in der Tonhalle – er hat also auch das Vorgängerinstrument regelmässig gewartet. Und wie funktioniert das Stimmen? «Das ist eine komplexe Angelegenheit und setzt ein ausserordentlich gutes Gehör voraus», erklärt Wioland. «An den Pfeifen sind verschiedene Vorrichtungen angebracht, an denen die Verstimmungen durch Längenkorrekturen behoben werden. Je nach Verstimmung der Orgel werden einzelne Register nachgestimmt, was unterschiedlich lange dauern kann.» Und wie könnte sich das Instrument stark verstimmen? «Die Raumtemperatur in der Tonhalle spielt dabei eine zentrale Rolle», meint Wioland. Es darf also nicht zu kalt, aber auch nicht zu warm werden im Saal. Seit der Neugestaltung des Hauses ist die Umgebung für das Instrument ideal.

Die Künstlerischen Leiter der Internationalen Orgeltage Zürich

Ist das Instrument erst einmal parat, können die Organist*innen eintreffen, um darauf zu üben. Damit das klappt, steht Tobias Willi, Orgelprofessor an der Zürcher Hochschule der Künste ZHdK, oft mitten in der Nacht bereit. Wenn alle Konzerte vorbei sind und der Saal leer ist, führt er die Musiker*innen in die Eigenheiten der Orgel ein. Auch stellt er das Instrument auf Anfrage im Rahmen von Führungen vor und sorgt dafür, dass es regelmässig gespielt wird – was ihm Spass macht: «Ich geniesse es natürlich, so ein Instrument spielen zu dürfen. Ich gebe zu, als ich das erste Mal allein auf der Orgel geübt habe, bin ich um 22.30 Uhr gekommen – und als ich wieder auf die Uhr schaute, war es bereits 2.00 Uhr am Morgen!»

«Ich finde die Orgel klanglich unglaublich schön. Auf dieses Instrument kann die Tonhalle-Gesellschaft Zürich stolz sein. Es bietet enorm viele Möglichkeiten, da ist man einfach glücklich als Spieler.»

Tobias Willi über die Tonhalle-Orgel

Seit dieser Saison ist Tobias Willi Orgelwart und gemeinsam mit Christian Schmitt, der die Gestaltung der Orgel vier Jahre lang massgeblich begleitet und sie letzte Saison als Fokus-Künstler auch eingeweiht hat, Künstlerischer Leiter der Internationalen Orgeltage Zürich. Was heisst das? Sie gestalten gemeinsam das Programm für das Festival. Eine spannende Aufgabe, denn «sie ist für das gesamte Repertoire geeignet», meint Christian Schmitt. «Bach, vor-barocke oder romantische Musik, das geht alles extrem gut, und auch an die Moderne hat man gedacht. Nach dem neuesten Stand der Technik kann man auch Loops machen und für die Musik des 21. Jahrhunderts Instrumente wie Synthesizer anschliessen. Man kann auch spielen und sofort aufnehmen, da die Orgel einen Computer besitzt.»

Die finanziellen Unterstützer

«Es sind der schöne, voll und warm klingende Grundton dieses Instruments und die ungeheure Klangvielfalt, die sich sowohl für den solistischen Auftritt als auch für das Zusammenspiel mit anderen Instrumenten und mit dem Tonhalle- Orchester Zürich bestens eignet, die einen immer wieder erstaunen», schwärmt auch Hans-Peter Fricker, Präsident des Vereins «Freundeskreis der neuen Zürcher Tonhalle Orgel». Der Verein hat das Ziel, das Instrument möglichst oft zum Erklingen zu bringen, damit es «an Bekanntheit und Beliebtheit ständig zulegt». Die erste Frucht dieser Arbeit waren die drei zusammenhängenden Orgeltage an Pfingsten 2022 – ein Format, dass nun jährlich stattfinden soll.

Die Idee, für die Ermöglichung solcher Orgeltage einen Verein zu gründen, entstand in Gesprächen von Fricker mit dem Vizepräsidenten und Quästor der Tonhalle-Gesellschaft Zürich, Hans G. Syz, und dem Präsidenten der Tonhalle-Gesellschaft Zürich, Martin Vollenwyder; sie alle sind nun Mitglieder des Vorstands. Insgesamt besteht dieser aus sieben Mitgliedern, eine Mini-Geschäftsstelle unterstützt sie bei den administrativen Arbeiten. Und wie genau bringt dieser Verein die Orgel «zum Erklingen»? «Wir haben uns verpflichtet», sagt Fricker, «die direkten Kosten für die fünf Konzerte der Orgeltage zu übernehmen. Das heisst, der Vorstand ist in erster Linie mit Geldsammeln beschäftigt.» Zudem steht der Vorstand im engen Austausch mit den Künstlerischen Leitern. Gemeinsam wird so – ganz im Dienste der «Königin» – ein abwechslungsreiches Programm mit hervorragenden Organist*innen geplant.

Mai 2024
Sa 18. Mai
18.30 Uhr

Internationale Orgeltage Zürich: Eröffnungskonzert mit Iveta Apkalna

Tonhalle-Orchester Zürich, Dima Slobodeniouk Leitung, Iveta Apkalna Orgel Jongen, Berlioz
So 19. Mai
16.00 Uhr

Internationale Orgeltage Zürich: Orgel und Literatur

Master-Studierende der Orgelklassen von Prof. Andreas Jost & Prof. Tobias Willi , Jessica Bosshard Orgel, Joanna Krauze Orgel, Soyoung Lee Molitor Orgel, Tatiana Radkewitsch Orgel, Nina Roth Orgel, Till Schaffnit Lesung, Tobias Willi Moderation Bach, Reger, Alain, Vogt, Saint-Saëns, Widor
So 19. Mai
20.15 Uhr

Internationale Orgeltage Zürich: Das Phantom der Oper – Film und Orgel

Thierry Escaich Orgel Escaich
Mo 20. Mai
16.00 Uhr

Internationale Orgeltage Zürich: Mit Trompeten nach Tschechien

Otto Sauter Piccolo-Trompete, Moises Cerros Piccolo-Trompete, Irmtraud Tarr Orgel Filas, Karg-Elert, Vejvanowský, Querfurth, Biber von Bibern, Zariņš, Anonymus (Torelli Schule), Widor, Filas
Mo 20. Mai
19.30 Uhr

Internationale Orgeltage Zürich: Abschlusskonzert mit dem Staatschor Latvija

Staatschor Latvija, Māris Sirmais Leitung, Iveta Apkalna Orgel Rogg, Byrd, Langlais, Britten, Elgar, Purcell, Escaich, Gardiner
veröffentlicht: 16.05.2023

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