Holly Choe mit Paavo Järvi (Foto: Alberto Venzago)
Holly Choe

«Wie ein zartes, dunkles Schokoladenmousse»

Zwei Jahre lang hat Holly Hyun Choe unserem Music Director Paavo Järvi und dem Orchester treue Dienste als Extrapaar Ohren im Saal geleistet. Nun schaut sie zurück und verabschiedet sich.

«Wenn ich unsere Musiker*innen beobachte, sehe ich ein Lächeln in ihren Gesichtern, weil sie sich über die Soli ihrer Kolleg*innen freuen. Sie kommunizieren kammermusikalisch, hören einander intensiv zu, geben und nehmen, dass es eine Freude ist.

Was mich immer zutiefst beindruckt hat, ist, wie jede und jeder Einzelne im Tonhalle-Orchester Zürich, von ganz vorne bis ganz hinten, bis über beide Ohren verliebt ist in Musik. Ganz egal, wie lange sie schon dabei sind, ihre Leidenschaft ist unbändig, ihre Hingabe und der Drang nach höchster Qualität sind inspirierend und motivierend. Ich bin gewachsen einfach nur dadurch, von solchen Musiker*innen umgeben zu sein: Jede einzelne Probe war eine Musikstunde und ein Meisterkurs im Dirigieren.

Ich könnte ein Buch darüber schreiben, was ich hier lernen konnte. Es gibt so viele Aspekte des Dirigierens: die offensichtlichen – musikbezogenen, dirigiertechnischen. Aber auch die soziale Intelligenz und die psychologischen Aspekte, wie man mit dem Selbstvertrauen des Orchesters umgeht, mit Unsicherheiten, falls es welche gibt, mit unbequemen Passagen. Wie man verschiedenen Persönlichkeiten begegnet, wie man eine Probe an sich, aber auch eine ganze Projektwoche gestaltet.

Und ich habe etwas über die Rolle des Music Directors gelernt: Wie er eine Saison oder mehrere Saisons so mitprogrammiert, dass das Orchester wachsen kann und nicht nur Stücke ohne ein grösseres übergreifendes Ziel spielt. Oder wie man die Gemeinschaft als Teil der Mission einbezieht, wie man Publikum und Sponsor*innen einbindet. Was es bedeutet, das Gesicht eines Orchesters zu sein, wie man dem Orchester glaubhaft machen kann, wirklich gehört zu werden, und wie man mit Professionalität und einer gesunden Distanz für sie da ist, wenn Probleme auftreten.

Während meiner ganzen ersten Saison habe ich daran gearbeitet, Paavos Wünsche und Rückmeldungen zu kommunizieren. Es hat Zeit gebraucht, den Respekt und das Vertrauen des Orchesters zu gewinnen. Ich habe gelernt, niemals nach einer Generalprobe Rückmeldungen zu geben, selbst wenn danach gefragt wird. Man darf nie vergessen, wie hoch der Druck ist, wie gross die Erwartungen, die unsere Musiker*innen an sich selbst stellen.

Und ich habe viel darüber gelernt, was zwischen den Takten passiert, wenn ich Paavo zuschaue, und wie man die Musik beeinflussen kann, indem man den Raum zwischen den Takten versteht. Paavo ist auch ein Meister des Timings – ein Schlüssel, um ein Orchester und seine Reflexe zu aktivieren. Ich erinnere mich, wie fasziniert ich in der ersten Saison davon war, wie Paavo sein Dirigat nicht nur mit der Information versah, wann, sondern auch wie und wo gespielt werden soll. Mit seiner Art, das Orchester zu leiten, hat er immer ein Ziel vor Augen. Man kann gar nicht anders, als ihm zu folgen. Seine Ideen und Visionen sind so absolut klar, dass man ihm einfach vertraut und mit ihm geht.

Als Chef kann Paavo alt und weise sein, im nächsten Moment jung und verspielt. Er ist so gut ausbalanciert und lehrt uns, wie wichtig Humor im Leben ist. Für mich ist er natürlich eine musikalische Schlüsselfigur, ein starker Mentor. Er sagt, ich sei Familie. Wir werden immer in Verbindung bleiben.

Es macht mich traurig, dass ich das Orchester nun nach diesen beiden Jahren nicht mehr so regelmässig hören kann; ich habe mit grossem Stolz als wandelnde Werbesäule meinen Badge um den Hals spazieren geführt. Und natürlich habe ich versucht, als Assistentin ein hilfreiches Extrapaar Ohren im Saal zu sein und fühle mich privilegiert, mit der Orchesterfamilie arbeiten zu dürfen und in Paavos Gedankenwelt einzutauchen.

Was das Tonhalle-Orchester unvergleichlich macht, ist, dass es alles mitbringt: Höchstes technisches und musikalisches Können, breite stilistische Möglichkeiten, das Herz und das tiefe Verständnis für den emotionalen Kontext eines jeden Werks. Die starke Teamarbeit und die absolute Hingabe, den Willen und den Wunsch, das Beste zu erreichen. Für mich sind sie es ja, die Besten. Ihr Klang lässt mich an ein zartes, dunkles Schokolademousse denken. Wer könnte wiederstehen?»

Aufgezeichnet von Melanie Kollbrunner

Wer Hollys Karriere weiterverfolgen möchte, kann dies hier tun.

Holly Choe (Foto: Alberto Venzago)
Paavo Järvi, Holly Choe (Foto: Alberto Venzago)
Foto: Alberto Venzago
Foto: Alberto Venzago
Foto: Alberto Venzago
März 2023
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veröffentlicht: 14.07.2022