«Das ging ans Herz!»
Zitate von Zeitgenossen machen klar, warum Mozart und Liszt zu den «besten Pianisten aller Zeiten» gezählt werden.
Im Oktober spielt der türkische Pianist Fazıl Say das Klavierkonzert Nr. 21 von Wolfgang Amadeus Mozart. Im Dezember ist ein weiterer Tastenvirtuose zu Gast: Der aus Nordmazedonien stammende Simon Trpčeski interpretiert Franz Liszts Klavierkonzert Nr. 2. Eine besondere Wahl: Die beiden Klavier-Koryphäen präsentieren damit Werke von Komponisten, die zu den «besten Pianisten aller Zeiten» gezählt werden.
Die Spielfertigkeiten zwischen Musiker*innen, die vor mehreren hundert Jahren lebten, mit jenen von heute zu vergleichen, scheint etwas weit hergeholt zu sein: Während wir von unseren gegenwärtigen Stars Aufnahmen und Konzerterlebnisse einfach gegenüberstellen können, müssen wir uns bei den Klaviervirtuos* innen der Vergangenheit auf schriftliche Überlieferungen verlassen. Diese fallen jedoch in einzelnen Fällen derart überschwänglich aus, dass es auch längst verstorbene Grössen in die Besten-Listen geschafft haben – wie eben Mozart und Liszt. Beide entwickelten sich vom «Wunderkind» zum Superstar. Und das nicht nur wegen ihrer Kompositionen, sondern besonders wegen ihrer Fingerfertigkeit, wie die auf der folgenden Doppelseite vorgestellten Zeitzeugnisse deutlich machen.
Wolfgang Amadeus Mozart, 1756–1791
«Von exercieren auf dem Clavier wie er einmahl über 7 Jahre hatte weis ich gar nichts, denn sein Exercieren bestand darinnen das er immer sich muste hören lassen, daß ihm immer sachen vorgelegt wurden, die er von blat wek spielen muste, und dieses war sein exercieren.»
Maria Anna «Nannerl» Mozart (1751–1829) – Mozarts Schwester über das Klavierüben ihres Bruders in einem Brief an den Verlag Breitkopf & Härtel, 1792.
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«Eine bewundernswürdige Geschwindigkeit, die man besonders in Rücksicht der linken Hand oder des Basses einzig nennen konnte, Feinheit und Delikatesse, der schönste, redendeste Ausdruck und ein Gefühl, dessen nur ein Mozart fähig war, sind die Vorzüge seines Spieles gewesen, die gepaart mit seiner Gedankenfülle, mit der Kenntniß der Komposition natürlich jeden Hörer hinreißen, und Mozarten zu dem größten Klavierspieler seiner Zeit erheben mußten.»
Franz Xaver Niemetschek (1766–1849) – der tschechische Philosoph und Musikkritiker in seinem Buch «Leben des K.K. Kapellmeisters Wolfgang Gottlieb Mozart nach Originalquellen beschrieben», 1798.
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«Ich hatte bis dahin niemand so geist- und anmutsvoll vortragen gehört. Vorzugsweise überraschten mich ein Adagio und mehrere seiner extemporierten Variationen, wozu der Kaiser [Joseph II.] das Thema wählte.»
Muzio Clementi (1752–1832) – der italienische Komponist und Pianist nach einem verlorenen Klavierwettstreit gegen Mozart am Wiener Hof am 24. Dezember 1781.
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«Mozarts Verlust ist unersetzlich; sein Spiel am Klavier vergesse ich in meinem Leben nicht; das ging ans Herz!»
Joseph Haydn (1732–1809) – überliefert über den Schriftsteller Georg August Griesinger in «Biographische Notizen über Joseph Haydn», 1810.
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«Er spielt mit magischer Fertigkeit und liest so genau vom Blatt weg, daß er hierein wohl schwerlich seinesgleichen fand.»
Christian Friedrich Daniel Schubart (1739–1791) – der deutsche Dichter, Komponist und Publizist in seiner Schrift «Ideen zu einer Ästhetik der Tonkunst», 1806.
Fazıl Say spielt Mozart
Der türkische Pianist und Komponist gehört zu den gefragtesten und eigenwilligsten Solisten überhaupt. Er brennt für die Musik, mobilisiert auf Instagram 1,3 Millionen Follower und spielt meist anders als erwartet. Unter der Leitung von Jan Willem de Vriend interpretiert er Mozarts Klavierkonzert Nr. 21.
Franz Liszt, 1811–1886
«Liszt ist ohne Zweifel der grösste Pianist unserer Zeit und aller Zeiten; es ist eine richtige Revolution in diesem Instrument. Er fasst darin alle Transformationen in sich zusammen […]. Er ist zugleich der Paganini und der Beethoven des Klaviers […]. Kaum liegen seine Hände auf den Tasten, ergreift und beschäftigt ihn bereits die Inspiration. Schon gehört er sich nicht mehr selbst, sein Auge sprüht, sein Herz klopft, sein Haar gerät in Bewegung und zittert, seine Physiognomie nimmt einen sonderbar- befremdenden Ausdruck an; das ist kein Mensch mehr, das ist ein phantastisches Wesen, das ist ein Geist, der nicht unserer Welt angehört. Dann erblühen unter seinen Fingern, im Hauch seiner Inspiration, wie im Frühling die Rosen unter den Küssen der Sonne, wundervolle Gedichte, tränendurchtränkt, schreckliche Dramen, denn Liszt ist ein grosser Poet.»
Jean Saint-Rieul-Dupouy – der Redaktor der Volkszeitung von Bordeaux in einem Bericht vom 13. September 1844.
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«Seine wunderbaren Finger vermögen alles, sie sind zwar Mittel für ihn, aber grossartige und grenzenlose Mittel.»
Caroline Boissier-Butini («Madame Auguste Boissier», 1786–1836) – die Schweizer Pianistin, Komponistin und Sängerin in ihren Protokollen zu den Klavierstunden ihrer Tochter bei Liszt, von ihrer Familie posthum publiziert in «Liszt pédagogue», 1927.
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«Spielend überwand er Schwierigkeiten, mit denen ein anderer sich die Finger zerbrach. Herrlich, geradezu traumhaft schön war sein Anschlag. Spielte er eine Melodie, so war es, als ob Blumen unter seinen Händen hervorspriessten. Dabei hielt er Arme und Körper so ruhig, dass man den Eindruck gewann, er spiele gar nicht, sondern magnetisiere das Klavier.»
Felix Weingartner (1863–1942) – der österreichische Dirigent, Komponist und Pianist in seinen «Lebenserinnerungen», 1923.
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«Was wir an Franz Liszt lieben, ist, dass er immer derselbe feurige, schwungvolle Künstler ist, mit zerzausten Haaren, derselbe musikalische Mazeppa, durch die Steppen der 32tel Noten brausend auf einem Klavier ohne Bremse; wenn er fällt, ist es, um sich als König wieder zu erheben! In einem Wort, er ist heute wie früher romantisch […]. Die Jahre und die Erfahrung haben ihn weiser werden lassen. Er hat nicht auf die Ratschläge einer aufgeklärten Kritik gehört, die ihn wohlwollend aufforderte, sich von allen seinen Jünglinggebärden zu befreien, und wir fanden ihn so wieder, wie wir ihn gehört haben, vielleicht noch erstaunlicher […]. Liszt ist nicht ein Pianist, er ist ein Dichter, ganz gleich, ob er seine eigene Musik oder die der anderen spielt.»
Théophile Gautier (1811–1872) – der französische Schriftsteller in einem Artikel in «La Presse», 22. April 1844.
Simon Trpčeski speilt Liszt
Mit der Gruppe Makedonissimo und Volksmusik aus seiner mazedonischen Heimat hat er 2022 das Zürcher Publikum begeistert. Als Solist verbindet er eine phänomenale Technik mit subtiler, poetischer Interpretationskunst. Nun spielt er Liszts Klavierkonzert Nr. 2 unter der Leitung von Philippe Jordan.
